Liedpredigt: ELKG 432
PFARRER HELGE DITMMER
Ergänzungen zum Lied "Eines wünsch ich mir vor allem andern"
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Liedpredigt zu: „Eines wünsch ich mir vor allem andern“ (ELKG 432)
Bernhard Grzimek und Heinz Sielmann – das waren im 20. Jahrhundert zwei Männer, die viel für den Tier- und Naturschutz getan haben. Doch sie waren auf diesem Feld nicht die Pioniere. Schon im 19. Jahrhundert war es vielmehr ein anderer, der ihnen mutig vorausging: Albert Knapp.
Geboren 1798 in Tübingen wurde er zwar weder Forscher noch Förster, sondern Pastor, Dichter und Hymnologe. Aber 1837 gründete Knapp quasi nebenbei den ersten Tierschutzverein auf deutschem Boden. Nicht als „Urvater der Grünen“. Sondern als Theologe. Er begründete diesen Schritt mit Römer 8. Und Auslöser war ein von Gewehrkugeln sinnlos zersiebter Storch, der jahrelang mit seinem Weibchen auf dem Kirchdach seinen Nistplatz hatte und den Knapp mehrmals in seinen Predigten als Beispiel für lebenslange Treue erwähnt hatte.
Predigen konnte Albert Knapp ausgezeichnet. Er war nicht nur aufgeweckt, sondern auch erweckt. Ein pietistisch gesinnter und doch maßvoller evangelischer Geistlicher, der sich durch Gedankenreichtum und echte Frömmigkeit auszeichnete.
Vor allem aber dichtete er gerne. Was diesen besonderen Umgang mit Worten anging, hatte er eine gute Einfühlungsgabe und ein beachtliches stilistisches Talent. Eine wirklich eigenständige künstlerische Begabung tritt aber kaum zutage. Albert Knapp hat zwar große Vorbilder: Klopstock, Schiller, Goethe, Shakespeare, Martin Luther und Paul Gerhardt. Er dichtet seinen Helden nach – kommt aber nicht wirklich an sie heran. So ist es auch kein Wunder, dass seine über 1200 Gedichte (weltlicher wie christlicher Art), zwar über seinen Tod 1864 hinaus beliebt waren und reißenden Absatz fanden – heute aber kaum eines von ihnen zu den prägenden Gesängen der Kirche gehört.
Um Gesänge und Gesangbuch ganz allgemein hat Knapp sich allerdings dennoch sehr verdient gemacht. Nicht nur, indem er die Lieder älterer Kirchenliederdichter wie Gottfried Arnold oder Graf Zinzendorf neu ans Licht brachte und in Sammelbänden wiederveröffentlichte. Sondern auch durch den von ihm zusammengetragenen und herausgegebenen „Evangelischen Liedschatz für Kirche und Haus“ und seine prägende Mitarbeit am „Gesangbuch für die Evangelische Kirche in Württemberg“. Er war ein großer Hymnologe, also ein Liederforscher, und ein Dichter, der mit seinen Werken uneingeschränkt der „Verherrlichung Christi“ dienen und seinen Lesern zu einer „wahren Christusfrömmigkeit“ helfen wollte.
Darin kann er auch uns befördern – etwa mit seinem Passionslied: „Eines wünsch ich mir vor allem andern“ (ELKG 432).
Das ist ein sehr überschaubares, singbares Gedicht. Es hat nur 4 Strophen. In Teilen mutet es zwar etwas pathetisch an – aber das ist bei vielen Gedichten Knapps und seiner Zeitgenossen der Fall. Ursprünglich war es offenbar gar kein Passionslied im engeren Sinn, denn im ersten Band von Knapps gesammelten Gedichten ist es schlicht mit „Mein Wunsch“ überschrieben.
Ein eigentümlicher Titel, der mehr an ein Märchen erinnert, als an biblische Wurzeln (die Brüder Grimm waren Zeitgenossen Knapps). Doch bei Knapp ist dieser „Wunsch“ als ein Sehnen zu verstehen, das sich in einem Gebet Bahn bricht und dabei am Ende einem „Treueschwur“ ähnlich ist (Strophen 3+4).
In einem Zweischritt eilt Knapp zuvor in den Strophen 1+2 durch die Passionsgeschichte: Erst Gethsemane, dann Golgatha. Die Bezüge zu Aussagen der Bibel sind zahlreich und liegen auf der Hand. Auf den Herrn, den Knapp dort leiden und sterben sieht, will er „sehen“. Im Grunde ist es ein Lied, das wunderbar zum Sonntag Okuli passen würde. Auf Christus schauen, mit ihm verbunden sein. Was auch immer kommt und geschieht – auf den Sohn Gottes gilt es zu bauen, dann hat man den „Leuchtturm am Horizont der Ewigkeit“ im Blick. Für Knapp war das so zentral und so wichtig, dass selbst sein Grabmal das Kreuz auf dem Berg Golgatha zeigt und die Inschrift bezeugt: „Ich habe Frieden und Ruhe im Blut Christi!“.
Knapps Lebensumstände waren dabei vielleicht unseren heute gar nicht so unähnlich. Die Zeiten waren insgesamt friedlicher und ruhiger (im Vergleich zum 16., 17. & 18. Jahrhundert). Und abgesehen von persönlichen Schicksalsschlägen (Knapp war dreimal verheiratet, da er zweimal verwitwet war) war eben durchaus viel Raum und Zeit für „Schöngeistliches“ und für „Natur- und Geschichts-Verbundenheit“. Dass Albert Knapp dabei den Blick für das Wichtigste nicht verlor und ihn auch hörbar/singbar hochhielt und anderen anbot: „Sprich du darauf ein Amen!“ – das ist ihm hoch anzurechnen. Und so ist es durchaus gut, dass sein Lied von Detlev Block 1991 etwas mehr ins hier und jetzt geholt wurde, sodass man es auch heute noch als eigenen „Wunsch“, als Gebet singen und sich zur Ausrichtung des eigenen Lebens dienen lassen kann.
Eine Umdichtung? Eine Anpassung des alten Gesangs? Knapp hätte das gefallen. Ist er doch selbst mit den auf ihn gekommenen Gesängen oft sehr frei umgegangen. Man findet in seinem Liedschatz (wie ein Experte es ausdrückt) „… ein schönes Maß von pietätsvoller Treue gegen die Originale und gesunder Anpassung an den modernen Geschmack“. Das geschah nicht immer zur ungeteilten Freude und Begeisterung aller! Mancher hätte sich da mehr „Originaltreue“ und weniger „Knappwerk“ gewünscht! Mancher von Knapp veröffentlichte „alte Meister“ ist mehr freie Neuschöpfung und Nachdichtung als „echtes Original. Deshalb wäre Albert Knapp sicher mit Detlev Blocks Vorgehen einverstanden gewesen und würde uns sein Lied so „erneuert“ gewiss begeistert ins Marschgepäck legen.
Aber auch wenn es weniger bei uns Anklang findet als manches andere Lied – einen „kleinen Knapp“ haben wir wohl fast alle schon daheim: Denn eines der bis heute bekanntesten und häufig gebrauchten, vorformulierten Tischgebete stammt von ihm. Mein Großvater hat es immer gebetet. Mein Vater auch. Und es passt gut – auch zu Albert Knapps „Passions-Wunsch“. Denn auch in diesem Gebet finden wir die „Verherrlichung Christi“ und eine Hilfe zur „wahren Christusfrömmigkeit“. Darum stelle ich dieses Gebet an den Schluss dieser „knappen“ Betrachtung: Wir danken Dir, Herr Jesu Christ, dass Du unser Gast gewesen bist. Bleibst Du bei uns, so hat´s nicht Not. Du bist das rechte Lebensbrot. Amen.