Predigt: Matthäus 26,47+51-52
PFARRER ANDREAS OTTO
Gegenstände der Passion: „Die Schwerter“ (Matthäus 26,47+51-52)
47) Als Jesus noch redete, siehe, da kam Judas, einer von den Zwölfen, und mit ihm eine große Schar mit Schwertern und mit Stangen, von den Hohenpriestern und Ältesten des Volkes. [...]
51) Und siehe, einer von denen, die bei Jesus waren, streckte die Hand aus und zog sein Schwert und schlug nach dem Knecht des Hohenpriesters und hieb ihm ein Ohr ab.
52) Da sprach Jesus zu ihm: Stecke dein Schwert an seinen Ort! Denn wer das Schwert nimmt, der soll durchs Schwert umkommen.
Liebe Passionsgemeinde!
In der Andacht sollen Schwerter genauer unter die Lupe genommen werden. Neben den Knüppeln sind genau das die Waffen, die die Personen mitgebracht haben, die Jesus gefangen nehmen wollen. Und auch hier wird deutlich: Sie sind entschlossen, alles dranzusetzen, um ihn festzunehmen.
Fast ironisch klingt das, was Jesus daraufhin zu ihnen sagt: „Ihr seid ausgezogen wie gegen einen Räuber mit Schwertern und mit Stangen, mich zu fangen. Habe ich doch täglich im Tempel gesessen und gelehrt, und ihr habt mich nicht ergriffen.“
Das muss höchst peinlich für die Gegner Jesu gewesen sein, weil er entlarvt, wie feige und erbärmlich ihr Verhalten ist. Jeden Tag hätten sie ihn festnehmen können, aber sie hatten Angst vor der Menge. Und nun in dunkelster Nacht, wo fast niemand es sieht, da spielen sie auf einmal die großen Helden und bringen alle möglichen Waffen mit, um Jesus zu verhaften. Wie erbärmlich! Mut und Courage sehen jedenfalls anders aus.
Doch es gibt eine Person aus dem Jüngerkreis in dieser nächtlichen Begegnung, die durchaus mutig und couragiert auftritt. Der Evangelist Matthäus berichtet: „Und siehe, einer von denen, die bei Jesus waren, streckte die Hand aus und zog sein Schwert und schlug nach dem Knecht des Hohenpriesters und hieb ihm ein Ohr ab.“
Wenigstens einer, der sich für Jesus einsetzt und versucht das Schlimmste zu verhindern, nämlich dass ihr geliebter Freund und Meister verhaftet wird. „Jesus, solche Männer brauchst du doch. Wären es doch nur mehr gewesen, die diesen Mut gehabt hätten, dann hättest du gerettet werden können …“
Doch was sagt Jesus?
„Stecke dein Schwert an seinen Ort! Denn wer das Schwert nimmt, der soll durchs Schwert umkommen. Oder meinst du, ich könnte meinen Vater nicht bitten, dass er mir sogleich mehr als zwölf Legionen Engel schickte? Wie würde dann aber die Schrift erfüllt, dass es so geschehen muss.“
Was wird dieser Jünger, der sich da für Jesus eingesetzt hat, wohl gedacht haben, als er das von Jesus hört? Was wird er für ein Gesicht gemacht haben? Vermutlich hatte er ein großes Fragezeichen auf der Stirn.
Jesus will anscheinend verhaftet werden. Er will diesen Weg gehen, obwohl er nicht muss. Nein, er hätte sogar die Möglichkeit dem Ganzen noch zu entgehen, aber er geht diesen Weg trotzdem… Unfassbar!
Liebe Passionsgemeinde, wie oft versuchen Menschen durch Waffen und Gewalt ihre Macht zu demonstrieren. Wie oft folgt der Mensch der Zeile aus Goethes Ballade „Erlkönig“, in der es heißt: „Und bist du nicht willig, so brauch’ ich Gewalt“ - körperlich und psychisch.
Wie oft hat auch die Kirche da Schuld auf sich geladen, indem sie versucht hat durch das Schwert Gottes Wort zu verbreiten. Die Kreuzzüge sind eines der traurigsten und erbärmlichsten Kapitel der Kirchengeschichte, als die sogenannten „Nachfolger“ Jesu viel Schuld auf sich luden, indem sie versuchten durch das Schwert Menschen zu missionieren – von Jesus haben sie das jedenfalls nicht. So viel ist sicher!
Denn Jesus zeigt seine Macht und Stärke ausgerechnet dadurch, dass er auf Gewalt verzichtet. Als Gottes Sohn wäre es einfach für ihn gewesen, aus dieser Szene im Garten Gethsemane herauszukommen. So wie man froh ist, aus einem furchtbaren Alptraum geweckt zu werden, hätte der Sohn Gottes einfach seinen Vater im Himmel bitten können, dass er Hilfe bekommt. Aber er tut es nicht. Er verzichtet auf Gewalt, auf Gegenangriffe, auf die Hilfe von Engeln und Menschen.
Ist alle Rettung verloren? Ist jetzt alles aus? Nein, sondern gerade dadurch wird Rettung möglich, nämlich Rettung für dich und für mich.
Da hat Jesus eben noch im Gebet auf den Knien gelegen und Gott gebeten, dass er diesen Leidensweg an ihm vorübergehen lässt und hat nun die Gewissheit, dass kein Weg am Kreuz vorbeiführt. Dieser Weg ist Gottes Weg, den Jesus bereitwillig geht. So lässt er sich freiwillig binden wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird und es bewahrheitet sich das, was der Prophet Jesaja über den Gottesknecht sagt (Jesaja 53, 7): „Er litt willig und tat seinen Mund nicht auf wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird; und wie ein Schaf, das verstummt vor seinem Scherer, tat er seinen Mund nicht auf.“
Christus wählt den Weg der Machtlosigkeit und zeigt doch darin seine ganze Macht im Leiden und Auferstehen. Er tritt ein und lässt alle menschliche und göttliche Macht beiseite, damit wir durch ihn mächtig werden und das ewige Leben bekommen. Er wird schwach, damit unsere Schwachheit, die Sünde, in uns vernichtet wird und wir stark und durch ihn gerettet werden. Er stirbt für uns, damit wir durch ihn nach unserem Tod leben können und in seine himmlische Herrlichkeit kommen.
So merken wir: Ein Schwert kann uns nicht retten! Ein Schwert kann vielleicht manchmal dazu helfen, Menschenleben zu verteidigen oder Menschenleben zu erhalten – aber auch nur über eine gewisse Zeit. Ewiges Leben verschafft ein Schwert nicht, sondern nur Jesus Christus, der uns als seine Kinder jedoch nicht ohne Waffe zurücklässt.
Ja, eine Waffe schenkt uns Christus doch. Im Epheserbrief heißt es im 6. Kapitel: „Nehmt das Schwert des Geistes, welches ist das Wort Gottes.“ (Vers 17b) Dieses Schwert, sein Wort, das kann mir tatsächlich das ewige Leben schenken, denn Christus sagt es selbst im Johannesevangelium: „Wer mein Wort hört und glaubt dem, der mich gesandt hat, der hat das ewige Leben und kommt nicht in das Gericht, sondern er ist vom Tode zum Leben hindurchgedrungen.“ (Johannes 5, 24)