Predigt: Lukas 23-13-25


PFARRER i.R. KONRAD UECKER



Lukas 23,13-25

Barabbas - einer von uns

Liebe Schwestern und Brüder in Christus!

In der Gefängniszelle in Jerusalem war Barabbas allein. Er war zu Recht zum Tode verurteilt. Er kannte die Hinrichtungsstätte. In Kürze würde es soweit sein. Das Exekutionskommando wird seinen Körper am Kreuz festnageln. Er hörte schon die Hammerschläge mit ihrem „Du bist schuld! Du bist schuld...!“ So klang es hart und gerecht. In der Mittagshitze würde er Sterbequalen erleiden. Dann, wenige hundert Meter von seiner Zelle entfernt, hatten sich vor der Burg Antonia hunderttausend Passafestpilger versammelt. Auf den Stufen stand Pilatus, der im Namen Roms Recht sprechen musste, vor ihm der Galiläer, der als Wanderrabbi im Lande unterwegs war, um den Menschen Gottes Güte zu erweisen. Wie ein Magnet zog er die Leute an. Pilatus sagt: „Ihr habt diesen Menschen zu mir gebracht als einen, der das Volk aufwiegelt.“ Doch dieser Vorwurf war eine Lüge falscher Zeugen. Im Gegensatz dazu war Barabbas wirklich wegen Aufruhr und Mord im Gefängnis. Er war bewusst aufsässig, gewalttätig, ein Unruhestifter, ein Kämpfer für seine Gerechtigkeit. Schuldig war er und war auch noch stolz darauf. Hätte Pilatus einem solchen Mann im Sinne des Rechts Gnade erweisen dürfen, wie es im jüdischen Volk jährlich zum Passafest üblich war? Die Menschenmenge schrie: „Ja!“ Die Hunderttausend forderten, dass der bevollmächtigte Richter nicht Barabbas, den Mörder, sondern Jesus, den Sohn Gottes, hinrichten lässt, aber den Schwerstverbrecher begnadigt. Ein Tumult brach auf. Es drohten chaotische Zustände. Da bot der Verantwortliche einen Kompromiss an: „Jesus auspeitschen statt hinrichten.“ Er unternahm alles, um Jesus freizulassen. Warum? Sein Urteil lautete: „Ich kann keine Schuld an ihm finden.“

Nachdem er dreimal vergebens versuchte, das Urteil abzuwenden, beugte er sich dem Willen des Volkes, das schrie: „Kreuzige ihn! Kreuzige ihn!“ Er verkündete das Todesurteil. Christus, das Lamm Gottes wurde am Kreuz hingerichtet. Der Heilige starb den Sühnopfertod für die verlorene Welt. Durch das unschuldig vergossene Blut des Sohnes Gottes haben wir wieder einen Zugang zu Gott, unserem Vater. Um Christi Willen vergibt er uns alle unsere Sünden. Jesus hat uns den Weg freigemacht in Gottes neue Welt und Herrlichkeit. Darum stimmt seine erlöste Gemeinde weltweit in den Lobpreis seiner Ehre ein: „Ich lobe meinen Gott, der aus der Tiefe mich holt, damit ich lebe. Ich lobe meinen Gott, der mir die Fesseln löst, damit ich frei bin.“

So wurde Pilatus zum Theologen mit der biblischen Wahrheit „Ich kann keine Schuld an ihm finden.“ Jesus, der über Legionen von Engeln gebietet, war und blieb ohne Sünde. Gottes Sohn hat nie die Gebote seines Vaters übertreten. Er hätte in der Wüste mit dem Teufel Brot brechen können oder im Park Gethsemane aus dem Plan seines Vaters aussteigen können. Er hat es nicht getan. Durch Jesus zeigte Gott den Menschen wie sie eigentlich leben sollten, zutiefst ehrlich inmitten von lauter Heuchelei, in Wahrheit statt in Lügen, immer freundlich und gütig, von Herzen liebevoll, übereingestimmt mit dem Willen des Schöpfers.

Wir dagegen haben nie aufgehört Gottes Gebote zu übertreten. „Wir sind tot auf Grund der Verfehlungen und Sünden.“ (Eph. 2,1). Wir sind Verlorene, die zu Grunde gehen, auf denen für immer Gottes Zorn lastet. - Blicken wir bitte nicht verächtlich auf jenen Mörder herab. Wir alle sind Barabbas.

Sündigen heißt, gegen Gott rebellieren, ihn nicht als unseren Herrn und König anzuerkennen. Die Sünde arbeitet verführerisch daran, uns loszureißen von dem lebendigen Gott, von Christus, dem Welterlöser. Sie weiß genau: „Der Tod ist der Sünde Sold.“

Da stehen wir nun alle mit Barabbas in einer Reihe, umgeben von dicken Gefängnismauern aus Angst, Verletzungen, Hass, gefangen gehalten von unserer bösen Vergangenheit. Wir sitzen mit jenem Mörder als Mitmörder in der engen Zelle.

Nun stelle ich mir den Schwerstverbrecher vor, der nichts bereut, wie er da in der Nacht vor der Hinrichtung verzweifelt dahockt mit seiner ganzen Lebensschuld, die ihn so niederdrückt. An seinen Händen klebt noch Blut. Da hört er die Schritte des Scharfrichters. Der wachhabende Offizier tritt ein und überreicht ein Dokument. Der Todeskandidat liest:

„Im Namen des Kyrios in Rom, der Strafgefangene mit Namen Barabbas wird hiermit begnadigt. Er ist frei.“ Es folgt Siegel und Unterschrift des obersten Richters. Ja, auch für ihn ist der unschuldige Nazarener, der Sohn des lebendigen Gottes, am Kreuz gestorben.

Auch ich bin des ewigen Todes schuldig, doch durch Christus bin ich für Gottes Reich begnadet. Mit unzähligen Menschen darf ich mit euch diese Erfahrung machen und freudig bekennen:

„Jesus ist kommen, nun springen die Bande, Stricke des Todes, die reißen entzwei ... Jesus ist kommen, ein Opfer für Sünden, Sünden der ganzen Welt träget dies Lamm.“ (aus ELKG 53)

Ich schließe die Predigt mit Gedanken aus dem Buch von John Ortberg: „Die Liebe, nach der du dich sehnst ... Es war Gnade, die damals in Windeln gewickelt in einer Krippe lag. Es war Gnade, die unter uns lebte, Gnade, die die Kranken heilte, die Blinden sehend machte und die Toten auferweckte. Es war Gnade, die mit schäbigen Steuereinnehmern Partys feierte. Gnade, die nicht den ersten Stein warf. Es war Gnade, die ans Kreuz genagelt wurde mitsamt unserer Sünde und Schuld, Gnade, die das Grab nicht halten konnte, Gnade, die nun zur Rechten des Vaters regiert, Gnade, die eines Tages für Sie und mich wiederkommen wird.“

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus sei mit euch! Amen.

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