Predigt im Passionsgottesdienst


PFARRER CARSTEN VOß
Predigt im Passionsgottesdienst in der Ev.-Luth. Zionsgemeinde Verden am 8. März 2018
Thema: Gegenstände der Passion – die Fesseln


Am Morgen aber hielten alle Hohenpriester und die Ältesten des Volkes einen Rat über Jesus, dass sie ihn töteten, und sie banden ihn, führten ihn ab und überantworteten ihn dem Statthalter Pilatus.
Matthäus 27,1-2



1. Liebe Gemeinde, Fesseln, Ketten, starke Seile - dienen dazu, einen Menschen zu binden, festzuhalten.
Die Füße werden miteinander verbunden, so dass nur kurze Schritte möglich sind und der Gefesselte nicht fliehen kann. Die Hände werden miteinander verbunden, der Mensch wird so handlungsunfähig gemacht. Auf den Rücken gebunden, machen sie den Gebundenen zudem schutzlos - wenn er fällt, kann er sich nicht abstützen.


2. Die Hände unseres Herrn Jesus Christus sind in solcher Weise gefesselt und gebunden.
Diese Hände, die so vieles vermochten, die so viel Leben brachten, die so viel Gutes taten.
Die Hände, die auf den Augen von Blinden gelegen haben, so dass diese wieder sehend wurden.
Die Hände, die Kranken aufhalfen, die Wege bahnten für Menschen, die seine Nähe suchten und von anderen zurückgehalten wurden.
Die Hände die aufforderten: Kommt her zu mir, die ihr mühselig und beladen seid.
Die Hände, die segneten: Kinder, die zu ihm gebracht wurden. Erwachsene.
Die Hände, die Brot austeilten und den Hunger stillten.
Die Hände, die Sünden vergaben, die aber auch drohten: Weh euch Schriftgelehrten und Rechthabern, die ihr nicht Gottes Liebe wisst.
Die Hände, die Macht ausstrahlten, die Wind und Wellen Befehle gaben.

-- Diese Hände sind gefesselt, Ketten umgeben sie, sie sind gebunden!
-- Geht das überhaupt? Den Herrn allen Lebens zu binden? Dass Menschen als Geschöpfe den Schöpfer fesseln?


3. Liebe Gemeinde, die gebundenen, gefesselten Hände unseres Herrn Jesus Christus haben eine dreifache Botschaft.


(1) Die Erste: Es ist Unsinn, den Sohn Gottes fesseln zu wollen, wenn er es nicht selber will.

Liebe Asterix und Obelix-Fans, in einer der Comic-Bände gibt es eine Szene, in der die beiden Helden im Gefängnis. Sie wollen da rein, um jemanden zu befreien. Aber auch an dem Ort erweisen sie sich als renitent, gehen ihren eigenen Weg und bringen den Wärter zur Verzweiflung. Nachdem der den einen gefesselt hat und nun die Ketten beim zweiten anlegt, bietet sich der erste an – der frei und los dasteht, die zerbrochenen Ketten am Boden – dem Wärter zu helfen. Das geht noch ein oder zweimal so. Dann endlich geben Asterix und Obelix Ruhe, lassen sich binden -- und ein mit den Nerven fertiger Wärter verlässt die Zelle.
Asterix und Obelix haben gezeigt, wer das Heft des Handelns in der Hand hat.

Genauso ist es mit Jesus Christus.
Er lässt sich freiwillig fesseln. Er geht den Weg der Entledigung der göttlichen Macht zu Ende, der mit der Geburt und Menschwerdung begann. Immer mehr verzichtet er auf das Ausüben der göttlichen Macht, lässt sich binden, lässt sich ans Kreuz nageln, stirbt den Tod am Kreuz.


(2) Das Zweite: Du fragst, warum das alles? Dass Jesus die Fesseln willig trug, zeigt seinen entschlossenen Willen, dich und mich zum Kinde Gottes zu machen.

Liebe Gemeinde, Jesus lässt sich binden aus Liebe zu seiner Schöpfung. Aus Liebe zu den Menschen, um sie aus der Bindung an die Sünde zu befreien.
Jesus geht den Weg des Knechtes Gottes, wie der Prophet Jesaja angekündigt hat (Jesaja 53): „ER tat seinen Mund nicht auf wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird … ER ist um unseretwillen verwundet und um unserer Sünde willen zerschlagen. Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten.“

Jesus duldet die Fesseln, weil er nur ein einziges Ziel vor Augen hat: das Kreuz. Dort opfert sich der Hohepriester um der Versöhnung willen zwischen Gott und Mensch. Da ist das Lamm Gottes, das der Welt Sünde trägt. Am Kreuz bezahlt der Heiland für meine Schuld.

Die Botschaft der Fesseln ist wieder einmal das, was wir den „fröhlichen Wechsel“ nennen. Fröhlich für dich und mich, weil die Folgen der Sünde weggenommen werden: die Schuld wird getilgt, wir werden von der Sklaverei der Sünde frei gemacht. Wir leben weil der Heiland stirbt.

Genau das hat der Chor eben mit dem Choral von Paul Gerhard singend verkündigt:
„Ich bins, ich sollte büßen
an Hände und an Füßen gebunden
in der Höll.
Die Geißeln und die Banden und was du [Jesus] ausgestanden, das hat verdient meine Seel.

Du nimmst auf deinen Rücken
die Lasten, die mich drücken
viel schwerer als ein Stein; du wirst ein Fluch,
dagegen verehrtest du mir den Segen,
dein Schmerzen -- muss mein Labsal sein.“


(3) Die dritte Botschaft der Fesseln: Fesseln lösen, Menschen befreien, ist das liebste Handeln Gottes

Liebe Gemeinde, wenn du durch die Bibel blätterst, wenn du mit einer Konkordanz suchst, dann findest du unter den Stichworten „Fesseln, fesseln als Verb, Ketten und binden“ zentrale Berichte des Heilshandelns Gottes an seinem Volk aus Juden und Getauften oder an einzelnen Gliedern seines Volkes.

•    Die Apostel Paulus und Silas werden von Gott durch ein Erdbeben in Philippi aus dem Gefängnis befreit und können so ungehindert verkündigen.
•    Der Apostel Petrus wird auf wunderbare Weise von einem Engel Gottes aus dem Gefängnis befreit.
•    Im Brief an die Hebräer wird dargelegt, dass das Heilshandeln Gottes nötig ist, weil „die Sünde, die uns umstrickt.“ (12,1)
•    Im Psalm 107, einem Lobgesang auf das rettende Handeln Gottes mit dem Aufruf zum Danken, wird die Situation der Menschen beschrieben als ein gefesselt sein, wovon Gott frei macht:

Psalm 107,10-16
Die da sitzen mussten in Finsternis und Dunkel,
gefangen in Zwang und Eisen,
weil sie Gottes Worten ungehorsam waren …
die dann zum Herrn riefen in ihrer Not
und er half ihnen aus ihren Ängsten
und führte sie aus Finsternis und Dunkel
und zerriss ihre Bande:
Die sollen dem Herrn danken für seine Güte / und für seine Wunder, // die er an den Menschenkindern tut,
dass er zerbrach eherne Türen // und zerschlug eiserne Riegel.

Die Fesseln Jesu und seine Hingabe in den Tod erinnern daran, dass die Welt Gottes eine gefallene ist. Wir können nicht mehr ohne weiteres sagen: Und siehe, es ist gut!
Es regieren Selbstsucht und Lüge, Hass und Streit, Unkeuschheit und Geldgier – sie und anderes nehmen uns Menschen gefangen, binden uns, machen uns unfrei.

Deshalb wurde Gott Mensch. Deshalb ließ sich der Sohn Gottes binden.
Immer wieder in der Bibel diese Botschaft: Für dich! tut Gott das!
Jesus trägt die Fesseln, damit unsere Bande gesprengt werden.


4. Liebe Gemeinde, eine dreifache Predigt hören und sehen wir von den Fesseln, mit denen Jesus gebunden ist:

Die Erste: Keine Macht der Welt kann den Sohn Gottes fesseln, wenn er es nicht selber will.
Das Zweite: Jesus lässt sich binden, um dich und mich zum Kindes Gottes zu machen, um uns frei zu machen von der zerstörerischen Bindung an Sünde und Schuld.
Drittens: Dieses uns befreiende Handeln, macht Gott aus Liebe am Liebsten.

Gott sei Dank! Amen.

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