Johannes 19,30


Jesus Christus spricht: Es ist vollbracht!
(Johannes 19,30)


Geschafft! Mit letzter Kraft erreicht er das Ziel. Die Mühen des Trainings haben sich gelohnt, die Strapazen des Wettkampfes haben sich aufgezahlt. Gewonnen! Manche Siege, die mit der olympischen Goldmedaille gewürdigt werden, wird es im Februar während der olympischen Spiele im südkoreanischen Pyeongchang zu erleben geben. Vom Wettkampf gezeichnet gibt der eine oder andere Athlet atemlos sein Interview; Worte, die aufgegriffen und verbreitet werden. Vielleicht sind manche darunter, die auch das Zeug dazu haben Geschichte zu schreiben.

Geschafft! Mit letzter Kraft sagt es der Sterbende am Kreuz. Im griechischen Original ist es auch nur ein Wort. Wer kann im Angesicht des Todes, noch dazu dieses gewaltsamen Todes am Kreuz, lange Reden halten? Geschafft! Das Ziel ist erreicht. Der Lauf ist vollendet. Was ist vollbracht? Der unschuldige Gottessohn stirbt den Verbrechertod am Kreuz, während die Schuldigen frei sind. Die Getreuen Jesu Christi erweisen sich unter dem Kreuz als untreu. Der Schächer, der Gottes Gebote übertreten hat, bekennt seine Verfehlungen, und erweist sich als Bußfertiger. Eine Szenerie voller Widersprüche auf dem Hügel von Golgatha vor den Toren Jerusalems. Ist das Kreuz nicht Zeichen des Scheiterns, der Zerstörung und des Zusammenbruchs? Tatsächlich ist das Kreuz eben alles das. Die Fragen allein sind, wessen Scheitern offenbar wird, wer zerstört wird, und wer einen Zusammenbruch erleidet. Es ist nicht das Scheitern des Gekreuzigten, sondern unser Scheitern wird durch Schuld und Sünde offenbar. Es ist nicht allein die Zerstörung seines Lebens durch den gewaltsamen Tod am Kreuz, sondern unser Tod wird getötet. Der Tod regiert nicht mehr. Nicht das Reich Gottes bricht zusammen, sondern die Macht des Bösen zerbricht.

Geschafft? Alles ist geschafft! Der Auftrag des Vaters kommt im Kreuz seines Sohnes zu seinem Ziel. Die Sendung des Sohnes in diese Welt ist aus Liebe durch den Vater geschehen und erreicht seinen Höhepunkt durch die Erhöhung am Kreuz. Dort wird der Sohn verherrlicht. Aber nicht allein seine Sendung kommt zum Ziel, sondern auch wir. Nichts ist mehr übrig, nichts ist mehr nötig, nichts mehr ergänzungsbedürftig. Das Opfer Jesu Christi ist als Sühneopfer ein für alle Mal gültig. Es ist vollbracht! So wie Gott durch unsere Sünde verunehrt wird, so wird er geehrt durch den Tod seines Sohnes am Schandpfahl auf Golgatha. So wie die Welt durch die Sünde verdirbt, so ist das Fundament für Gottes neue Welt geschaffen. Durch dieses mit letzter Kraft gehauchte, Geschafft!, des Gekreuzigten ist diese neue Welt Gottes geschaffen und ins Dasein gerufen. Das menschgewordene ewige Wort spricht sein letztes Wort am Kreuz, um durch eben dieses Neues zu schaffen. Die Wunden des Menschen, der ganzen Kreatur, werden geheilt. Die unentrinnbare Trennung von Gott und Mensch ist aufgehoben. Die Sünde scheidet uns nicht länger. Die Macht der Sünde ist gebrochen. Der heilige Gott und der unheilige Mensch stehen sich nicht länger unversöhnlich gegenüber. Das Kreuz versöhnt. Es versöhnt Gott mit den Menschen und hat die Kraft Menschen untereinander zu versöhnen. Geschafft! Der Bann der Sünde ist gebrochen. Der Fluch der Schuld ist aufgehoben. Die gefallene Schöpfung ist erlöst. Aber ist das Realität und die Wirklichkeit des Lebens? Grassiert nicht weiterhin der Tod? Menschen, die nach todbringender Krankheit auf dem Sterbebett, ihren letzten Atemzug machen. Menschen, die durch Krieg und Gewalt, Terror und Unrecht, ihres Lebens beraubt werden? Menschen, die durch Schuld am Leben leiden? Menschen, denen das Leben Wunden geschlagen hat? Die leidzerrissene Welt schreit doch weiterhin nach Freiheit, Frieden, Heilung. Es gibt aber ein vorher und ein nachher: Vor dem Geschehen auf Golgatha war die Welt mit ihrem Leid, ihrem Tod, ihrer Sünde allein und auf sich gestellt, nachher aber hat die leidzerrissene Welt das Kreuz Jesu Christi, wo sie ihr Leid dem Leidenden übergeben kann.

Der Unterschied vor und nach dem Kreuzestod des Herrn ist, dass der Gekreuzigte tatsächlich alles vollbracht hat, was zur Freiheit nötig ist, was dem Frieden dient, und was zur Heilung gebraucht wird. Die Balken am Jerusalemer Himmel kreuzten sich, damit Gott und Mensch nicht länger überkreuz miteinander liegen. Denn das Kreuz Jesu Christi ist Dreh- und Angelpunkt der Versöhnung. Wer unter das Kreuz des Herrn tritt, erfährt durch die Vergebung Gottes eben das: Freiheit von der Sünde hin zu einer Freiheit zu einem Leben mit Gott. Frieden zwischen Gott und Mensch, der befähigt Frieden auch unter den Menschen zu stiften. Heilung von Schuld, damit die Wunden des Lebens ausheilen. Das ist Gegenwart und geschieht dort, wo Vergebung ausgeteilt, Leben geschenkt und Seligkeit empfangen wird. Im Wort der Vergebung – in der Beichte. Im Heiligen Abendmahl – durch Leib und Blut des Herrn. Als Christen stehen wir im Kampf. Wer aber glaubt, für den ist der Kampf zu seinen Gunsten am Kreuz schon entschieden, auch wenn die Verhältnisse dieser Zeit und Welt – im Großen wie im Kleinen – immer wilder und gottwidriger werden. Vollbracht ist Gottes neue Welt, auch wenn unsere Welt noch sehr in Kämpfen liegt. Vollbracht ist Gottes Reich, auch wenn es noch verborgen ist. Geschafft! Ein Wort, das Geschichte schreibt, dem geglaubt und das weiter verbreitet wird. Es ist vollbracht! Dieses Wort ist das Ende von Sünde und Tod; es ist der Anfang von Leben und Seligkeit. Der Kampf ist gekämpft. Der Sieg ist der Lohn. Geschafft!

Dein Kampf ist unser Sieg, dein Tod ist unser Leben; in deinen Banden ist die Freiheit uns gegeben. Dein Kreuz ist unser Trost, die Wunden unser Heil, dein Blut das Lösegeld, der armen Sünder Teil. Geschafft!


Pfarrer Markus Büttner
Januar 2018

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